Langtitel:
Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei
Kurztitel:
Polizeiaufgabengesetz
Abkürzung:
ThürPAG
Normgeber:
Freistaat Thüringen
Fundstelle:
GVBl. 1992, 199
Ausfertigungsdatum:
04.06.1992
Stand:
Zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.07.2022 (GVBl. S. 323)
(1)
1Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landes, für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr für Sachen
1.
über die für die Gefahr Verantwortlichen oder
2.
über Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie für die für die Gefahr Verantwortlichen bestimmte oder von diesen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben,
2Die Anordnung der Maßnahme ist unzulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass durch die Maßnahme allein Kenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden.
3Die Anordnung der Maßnahme nach Satz 1 Nr. 2 ist unzulässig, wenn die Person das Recht zur Verweigerung der Aussage nach den §§ 53 oder 53a StPO hätte.
4Die Datenerhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2)
Besondere Mittel der Datenerhebung sind
1.
die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person, die durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen durchgeführt werden soll (längerfristige Observation),
2.
der verdeckte Einsatz technischer Mittel
a)
zur Ermittlung des Aufenthaltsorts einer Person,
b)
zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen,
c)
zum Abhören oder zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes,
3.
der Einsatz von Polizeibeamten unter einer Legende (verdeckte Ermittler),
4.
der Einsatz sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter und
5.
der Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist (Vertrauenspersonen).
(3)
1Wird im Verlauf einer Maßnahme nach Absatz 2 Nr. 1 oder 2 Buchst. b oder c erkennbar, dass Inhalte erfasst werden, die
1.
dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind,
2.
einem Geistlichen oder seinem Berufshelfer in der Eigenschaft als Seelsorger anvertraut werden oder
3.
einem Vertrauensverhältnis zu einem Berufsgeheimnisträger oder Berufshelfer (§§ 53 oder 53a StPO) zuzuordnen sind und kein unmittelbarer Bezug zu den in Absatz 1 genannten Gefahren besteht,
2Angefertigte Aufzeichnungen sind zu löschen.
3Bestehen über die Voraussetzungen einer Unterbrechung Zweifel, ist nur die unmittelbare Kenntnisnahme entsprechend Satz 1 zu unterbrechen.
4In diesem Fall ist nur die Fortsetzung automatisierter Aufzeichnungen zulässig.
5Diese sind unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Verwendbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen.
6Ist die Aufzeichnung oder die unmittelbare Kenntnisnahme unterbrochen worden, so darf sie nur fortgesetzt werden, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte nicht mehr zu erwarten ist, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung oder ein geschütztes Vertrauensverhältnis verletzt wird.
7Die Tatsache der Erlangung und die Löschung der Daten sind zu protokollieren.
(4)
1Der Einsatz von besonderen Mitteln nach Absatz 2 Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 darf nur auf Antrag des Leiters der Landespolizeidirektion oder des Leiters des Landeskriminalamts oder eines von diesen besonders beauftragten Beamten des höheren Polizeivollzugsdienstes durch den Richter angeordnet werden.
2Bei Gefahr im Verzug dürfen die in Satz 1 genannten Personen die Maßnahme anordnen; die richterliche Entscheidung ist in diesem Fall unverzüglich nachzuholen.
3Die Anordnung nach Satz 2 Halbsatz 1 tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen durch den Richter bestätigt wird.
4Tritt die Anordnung nach Satz 3 außer Kraft, sind die erhobenen Daten unverzüglich zu löschen und die Löschung zu protokollieren.
5Die Anordnung hat schriftlich unter Angabe der für sie maßgeblichen Gründe zu erfolgen und ist auf höchstens drei Monate zu befristen.
6Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen.
(5)
1Der Einsatz von besonderen Mitteln nach Absatz 2 Nr. 2 Buchst. a und b sowie Nr. 4 und 5 darf nur durch den Leiter der Landespolizeidirektion oder den Leiter des Landeskriminalamts oder einen von diesen besonders beauftragten Beamten des höheren Polizeivollzugsdienstes angeordnet werden.
2Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.
(6)
1Soweit es für den Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Legende eines verdeckten Ermittlers erforderlich ist, dürfen entsprechende Urkunden hergestellt, verändert oder gebraucht werden.
2Ein verdeckter Ermittler darf zur Erfüllung seines Auftrags unter der Legende am Rechtsverkehr teilnehmen.
3Er darf ferner unter der Legende mit Einverständnis des Berechtigten dessen Wohnung betreten.
4Im Übrigen richten sich die Befugnisse eines verdeckten Ermittlers nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.