§ 22 Datenverarbeitung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen

Langtitel:
Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei
Abkürzung:
PolDVG
Normgeber:
Freie und Hansestadt Hamburg
Fundstelle:
HmbGVBl. 2019, S. 485
Ausfertigungsdatum:
12.12.2019
Stand:
Zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.06.2021 (HmbGVBl. S. 514)
(1)
1Die Polizei darf personenbezogene Daten verarbeiten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes in oder aus Wohnungen über die für eine Gefahr Verantwortlichen, wenn dies zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.
2Die Maßnahme darf sich nur gegen den für die Gefahr Verantwortlichen richten und nur in dessen Wohnungen durchgeführt werden.
3In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
1.
der für die Gefahr Verantwortliche sich dort aufhält und
2.
die Maßnahme in Wohnungen des für die Gefahr Verantwortlichen allein nicht zur Abwehr der Gefahr führen wird.
4Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2)
Datenerhebungen sind unzulässig, wenn in ein durch Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung eingegriffen wird.
(3)
1Die Datenerhebung nach Absatz 1 bedarf der richterlichen Anordnung.
2Die Anordnung ergeht schriftlich.
3Sie muss insbesondere Namen und Anschrift der betroffenen Person, gegen die sie sich richtet, enthalten und die Wohnung, in oder aus der die Daten erhoben werden sollen, bezeichnen.
4In ihr sind Art, Umfang und Dauer der Maßnahme zu bestimmen.
5Sie ist höchstens auf vier Wochen zu befristen.
6Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als vier Wochen ist zulässig, soweit die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen fortbestehen.
7Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme durch die Polizeipräsidentin oder den Polizeipräsidenten oder die Vertretung im Amt angeordnet werden.
8Eine richterliche Bestätigung ist unverzüglich einzuholen.
9Die Maßnahme ist zu beenden, wenn sie nicht innerhalb von drei Tagen richterlich bestätigt wird; in diesem Fall sind Bild- und Tonaufzeichnungen unverzüglich zu vernichten, sofern die Aufzeichnungen nicht zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden.
10Zuständig ist das Amtsgericht Hamburg.
11Für das Verfahren findet Buch 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung.
12Von einer Anhörung der betroffenen Person durch das Gericht und der Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung an die betroffene Person ist abzusehen, wenn die vorherige Anhörung oder die Bekanntgabe der Entscheidung den Zweck der Maßnahme gefährden würde.
13Die richterliche Entscheidung wird mit ihrer Bekanntgabe an die beantragende Stelle wirksam.
(4)
1Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und zum Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Vorgänge, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden.
2Wird bei einer Maßnahme erkennbar, dass Gespräche geführt werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, sind das Abhören und die Beobachtung unverzüglich zu unterbrechen.
3Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden.
4Nach einer Unterbrechung oder einer Aufzeichnung gemäß Satz 2 darf die Erhebung fortgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass die Gründe, die zur Unterbrechung oder Aufzeichnung geführt haben, nicht mehr vorliegen.
(5)
1Die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangten Aufzeichnungen, sind dem anordnenden Gericht unverzüglich vorzulegen.
2Das Gericht entscheidet unverzüglich über die Verwertbarkeit oder Löschung.
3Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden.
4Sofern die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen, ordnet es die Aufhebung der Datenerhebung an.
5Polizeiliche Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 können durch das anordnende Gericht jederzeit aufgehoben, geändert oder angeordnet werden.
6Bei Gefahr im Verzug kann die Polizeipräsidentin oder der Polizeipräsident oder die Vertretung im Amt über die Verwertung der Erkenntnisse entscheiden.
7Eine richterliche Bestätigung nach Satz 2 ist unverzüglich einzuholen.
(6)
1Die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangten personenbezogenen Daten dürfen nur zu den in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecken verwendet werden.
2Zu Zwecken der Strafverfolgung dürfen sie verwendet werden, wenn sie auch dafür unter Einsatz derselben Befugnisse hätten erhoben werden dürfen; eine Zweckänderung ist zu dokumentieren.
3Stellt sich nach Auswertung der Daten heraus, dass diese einem Vertrauensverhältnis mit Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen sind, dürfen sie nicht verwendet werden.
4Daten, die keinen unmittelbaren Bezug zu den der Anordnung zugrunde liegenden Gefahren haben, dürfen nicht verwendet werden, es sei denn, ihre Verwendung ist zur Abwehr einer anderweitigen unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder zur Strafverfolgung unter der Voraussetzung von Satz 2 erforderlich.
5Über eine Verwendung der Daten entscheidet das Gericht, das die Maßnahme angeordnet hat; bei Gefahr im Verzug gilt Absatz 3 Sätze 7 bis 9 entsprechend.
(7)
Personen, gegen die sich die Datenerhebungen richteten oder die von ihr sonst betroffen wurden, sind nach Abschluss der Maßnahme darüber zu benachrichtigen.
(8)
1Sind die nach Absatz 1 erlangten Daten nicht mehr zur Aufgabenerfüllung erforderlich, sind sie zu löschen.
2Die Löschung ist zu protokollieren.
3Die Löschung unterbleibt, soweit die Daten für eine Mitteilung an den Betroffenen nach Absatz 7 oder für eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme nach Absatz 1 von Bedeutung sein können.
4In diesem Fall ist die Verarbeitung der Daten einzuschränken und sie dürfen nur zu diesen Zwecken verarbeitet werden.
5Im Fall der Unterrichtung der betroffenen Person sind die Daten zu löschen, wenn diese nach Ablauf eines Monats nach seiner Benachrichtigung keine Klage erhebt; auf diese Frist ist in der Benachrichtigung hinzuweisen.
6Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder einem Vertrauensverhältnis mit Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen sind, sind unverzüglich zu löschen; § 21 Absatz 3 Sätze 9 bis 11 gilt entsprechend.
7Daten, die keinen unmittelbaren Bezug zu den der Anordnung zugrunde liegenden Gefahren haben, sind unverzüglich zu löschen, es sei denn, ihre Verwendung ist zur Abwehr einer anderweitigen unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder zur Strafverfolgung im Sinne von Absatz 6 Satz 2 erforderlich.
(9)
1Einer Anordnung nach Absatz 3 bedarf es nicht, wenn technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Polizeieinsatz tätigen Personen mitgeführt und verwendet werden.
2Der Einsatz darf nur durch die Leitung des Landeskriminalamtes oder die Polizeiführerin oder den Polizeiführer vom Dienst angeordnet werden.
3Eine anderweitige Verwertung der erlangten Erkenntnisse ist nur zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
4Aufzeichnungen sind unverzüglich nach Beendigung des Einsatzes zu löschen, es sei denn, sie werden zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung benötigt.